Die externe Meldestelle im Schneckentempo
In Die Aufsicht schläft habe ich dargestellt, dass die Datenschutzaufsichten nicht vom Fleck kommen oder Beschwerden ablehnen. Am 03.06.2023 trat das Hinweisgeberschutzgesetz mit gut 18 Monaten Verspätung in Kraft, Anfang Juli 2023 konnte man dann tatsächlich Meldungen bei der der externen Meldestelle des Bundes, angesiedelt beim Bundesamt für Justiz (BFJ), einreichen. Die externe Meldestelle macht den Aufsichten für den Datenschutz jedenfalls beim Tempo keine Konkurrenz.
Problemraum
Das Hinweisgeberschutzgesetz überzeugt nicht, die externe Meldestelle kann eigentlich nur eine Vorprüfung machen und dann an eine andere Stelle abgeben. In meinem Fall, eine Stelle, die schon vorher bei meiner Beschwerde über Dataport nicht positiv in Erscheinung getreten ist, das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. Außerdem eben nur eine, auch wenn die Zuständigkeit für die Missstände zersplittert ist. Nicht nur ich halte das für ein Problem, sehr ausführlich zu den fehlenden Untersuchungsbefugnissen in Whistleblower-Netzwerk: Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen Deutschland.
Dass mit §5 Abs. 1 Nr. 1 Hinweisgeberschutzgesetz kritische Infrastruktur aus dem Anwendungsbereich vollständig herausfallen soll, ist in meinen Augen unionsrechtswidrig. Dass die Hinweisgeberrichtlinie nicht für die nationale Sicherheit gelten kann ergibt sich aus der mangelnden Zuständigkeit der Europäischen Union dafür (s.a. Alles unter Verschluss:Zur Rolle von Verschlusssachen bei der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie), Ausschlüsse innerhalb der Regelungskompetenz der EU, dazu zählt auch der Datenschutz, sind aber durch keine Öffnungsklausel gedeckt. Gleiches Ergebnis mit anderer Begründung in Kommentar von Colneric/Gerdemann Rn 1-8, ähnlich und speziell für kritische Infrastruktur Rn 16ff mit anderer Begründung. Dazu habe ich dann auch eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht.
Dass Dataport sich – trotz dem Stolz auf das Twin-Rechenzentrum – nicht als kritische Infrastruktur sieht kann zum einen daran liegen, dass man NIS2 mangels deutschem Umsetzungsgesetz noch nicht berücksichtigt hat, zum anderen dass der Vorstand dann persönlich haften würde – und das will er vermutlich nicht. Und eine Zertifizierung besagt rein gar nichts zur erreichten Sicherheit, sondern lediglich, dass man aufgeschrieben hat, was man tun will, und der Auditor bei einer Prüfung nichts so gravierendes gefunden hat, dass er das Zertifikat verweigert.
Eilig hat man es bei der Meldestelle auch nicht. 3, maximal 6 Monate steht in Richtlinie und Gesetz, und das ab Eingang und nicht wie sonst im Verwaltungskontext für jeden einzelnen Handgriff, denn so die Gesetzesbegründung, man will unnötige Veröffentlichungen vermeiden – oder halt auch nicht. Vielleicht in meinem Fall egal, weil die Missstände ja sowieso schon öffentlich sind. Aber das Ziel sollte doch zumindest sein, die Missstände zu beseitigen.
Nur lange Verfahren?
Natürlich frage ich mich, ob das nur in meinem Fall so lange dauert. Ich denke nicht, denn Insider des öffentlichen Dienst sagen mir, dass man Fristen grundsätzlich ausnutzt, und die einzige Frist die – abgesehen von der Veröffentlichung – droht, ist eine Untätigkeitsklage nach §75 VwGO. Dazu müssen drei Monate vergangen sein, nicht insgesamt, sondern seit der letzten Aktion, und diese Frist hat die Meldestelle regelmäßig beachtet. Also starte ich eine Anfrage erst nach dem vorgeschriebenen Bericht nach §29 Abs. 2 und dann zu den Rohdaten dazu, mit denen man meine Hypothese überprüfen könnte. Man verweigert mir diese. Ob der Aufwand eine brauchbare Statistik zur Bearbeitungsdauer bis zur Rückmeldung wirklich so groß ist? Ich glaube nicht daran, aber dass ein Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid von jemand anderem bearbeitet wird glaube ich nicht, und dass ein Gericht das BFJ in absehbarer Zeit verpflichtet eher auch nicht. Ich schreibe daher an die Führung:
Von: Joachim Lindenberg <************@lindenberg.one>
Gesendet: 05.11.2024 16:37
An: <pressestelle@bfj.bund.de>
Cc: <******@whistleblower-net.de>
Betreff: Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG?
Anlagen: Presseausweis.png
Sehr geehrte Frau Keller-Engels, sehr geehrte Frau Häussermann,
ich bin nicht nur Journalist sondern selbst auch Hinweisgeber. Mein Hinweis (Ihr Aktenzeichen 2023 0000 1993) datiert vom 3.7.2023, am 14.08.2024 erhalte ich die Rückmeldung, das Verfahren wird nach §29 Abs. 3 Nr. 4 an eine zuständige Behörde abgegeben, und am 16.10.2024 erhält diese Behörde erstmalig ausreichend Informationen um den Hinweis zu untersuchen. Ich habe Kenntnis von einem weiteren Hinweis aus November 2023 bei dem bis heute keine Rückmeldung erfolgt ist.
Auf mich wirkt das so, als ob Hinweise – möglicherweise auch nur solche zu öffentlichen Stellen – gerne von der externen Meldestelle verschleppt werden, jedenfalls nicht in der vom (europäischen) Gesetzgeber vorgesehen Zeit von drei, maximal sechs Monaten eine Rückmeldung erfolgt. In der Annahme, dass es sich auch um Ausrutscher handeln könnte, habe ich mit IFG Anfrage (FragDenStaat #312205, Ihr Aktenzeichen 2024 0000 3607) versucht, die Rohdaten für die Bearbeitung von Hinweisen für 2023 zu erhalten, aber Ihre Mitarbeiter haben alles unternommen, mir diese Daten vorzuenthalten.
Ich darf Sie daher als Pressevertreter fragen, wie sich die Zeiträume der Hinweisbearbeitung von Eingang bis Rückmeldung verteilen (= Anzahl der Hinweise aufgetragen über die Bearbeitungsdauer, ggfs. gruppiert nach Monaten) und Ihnen damit Gelegenheit geben darzustellen, dass diese beiden Hinweise Ausrutscher und nicht der vermutete Normalfall sind. Idealerweise differenzieren Sie bitte auch nach öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen.
Vielen Dank und viele Grüße
Joachim Lindenberg
(Presseausweis anbei)
Der weitere Emailverkehr ist unten wiedergegeben. Eine ernsthafte Antwort habe ich bisher nicht. Also scheint meine Hypothese richtig zu sein.
Ist das jetzt in Ordnung? Ich denke nicht. Artikel 41 der EU Grundrechtecharta verlangt eine Bearbeitung in angemessener Frist. Das gilt zunächst nur für Einrichtungen der EU, wird aber vom EuGH als Messlatte für andere Verfahren herangezogen. Die Hinweisgeberschutzrichtlinie kann man meiner Auffassung nach dahingehend interpretieren, dass alle Rückmeldungen innerhalb der Frist stattfinden sollen, nicht nur die erste, wie das das BFJ interpretiert. Ob das ein Interpretationsfehler vom BFJ oder von mir ist – ich habe dazu eine weitere Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Irgendwann wird sich das dann wohl herauskristallisieren.
Kommunikation
Kommunikation mit der Externen Meldestelle des Bundes beim Bundesamt für Justiz. Die am 01.11.2023 angeforderte Auskunft kommt getrennt, hier ist nur der relevante Teil wiedergegeben. Natürlich habe ich Beschwerde eingereicht. Das dauernde Verschlüsseln/Entschlüsseln von Nachrichten geht mir auf den Nerv, da mein Emailserver qualifizierte Transportverschlüsselung kann halte ich die für entbehrlich und schicke das meiste einfach so.
Datum/Zeit | Sender | Empfänger | Thema |
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Hinweis Dataport | |||
03.07.2023 14:00 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Meldung – Zusammenfassung |
04.07.2023 11:06 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Eingangsbestätigung |
20.09.2023 17:08 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | 1. Rückmeldung |
29.09.2023 15:25 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Antwort |
29.09.2023 16:01 | Joachim Lindenberg | European Commission | Beschwerde über Hinweisgeberschutzgesetz |
01.11.2023 13:00 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz | Auskunft nach Artikel 15 DSGVO |
28.11.2023 11:38 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Auskunft nach Art. 15 DSGVO – Exzerpt |
28.11.2023 12:57 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Auskunft nach Art. 15 DSGVO |
30.11.2023 14:44 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Sachstandsmitteilung |
08.12.2023 12:08 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | 2. Rückmeldung |
12.12.2023 18:38 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re weitere Rückmeldung |
21.12.2023 11:22 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | 3. Rückmeldung |
21.12.2023 13:05 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Zwischennachricht |
03.01.2024 13:44 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Ergänzende Zwischennachricht |
24.01.2024 14:22 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Meldung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz |
24.01.2024 14:59 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Information Antwort |
05.02.2024 09:19 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Information Antwort |
08.02.2024 10:45 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Antwort |
23.02.2024 21:39 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Information Antwort |
29.04.2024 14:48 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Meldung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz |
16.05.2024 13:47 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Weiteres Vorgehen – Rückfragen |
21.05.2024 23:04 | European Commission | Joachim Lindenberg | Schreiben der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit Ihrer Beschwerde...9-2023 |
22.07.2024 15:16 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Antwortschreiben |
16.08.2024 09:13 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Information |
22.08.2024 17:47 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Re Information |
28.08.2024 09:01 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Information |
16.10.2024 13:32 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Information |
26.11.2024 10:08 | Bundesamt für Justiz – Externe Meldestelle des Bundes | Joachim Lindenberg | Meldung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz – Information zum Sachstand |
Presseanfrage | |||
05.11.2024 16:37 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz, Whistleblower-Netzwerk | Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
08.11.2024 16:31 | Bundesamt für Justiz | Joachim Lindenberg, Whistleblower-Netzwerk | AW Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
12.11.2024 15:10 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz, Whistleblower-Netzwerk | AW Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
14.11.2024 13:58 | Bundesamt für Justiz | Joachim Lindenberg, Whistleblower-Netzwerk | AW Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
15.11.2024 15:09 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz, Whistleblower-Netzwerk | AW Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
22.11.2024 14:14 | Bundesamt für Justiz | Joachim Lindenberg | AW Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
26.11.2024 14:18 | Joachim Lindenberg | Bundesamt für Justiz | AW Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berichts nach §26 HinSchG |
28.11.2024 16:55 | Bundesamt für Justiz | Joachim Lindenberg | Re Fehlendes Tempo bei der Bearbeitung von Hinweisen, Rohdaten des Berich...nSchG |
Anfragen
Erstellt | Geändert | Status | Behörde | Thema |
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15.05.2024 | 12.06.2024 | Erfolgreich | Bundesamt für Justiz | Bericht 2023 der externen Meldestellen |
Man hat den Bericht wohl erst auf meine Anfrage zusammengestellt, jedenfalls sind die Metadaten frisch.Die Folgeanfrage https://fragdenstaat.de/anfrage/rohdaten-fuer-den-bericht-der-externen-meldestelle/ hat man abgelehnt – die Rohdaten würden Untätigkeit wohl bestätigen. | ||||
02.07.2024 | 23.10.2024 | Abgelehnt | Bundesamt für Justiz | Rohdaten für den Bericht der externen Meldestelle |
Ich habe Zweifel daran, dass die langsame Bearbeitung meiner und anderer Beschwerden durch die externe Meldestelle unionsrechtskonform ist. Ich befürchte auch, dass langsame Bearbeitung kein Einzelfall ist – aber entsprechende Daten will das BFJ nicht herausgeben. Mehr dazu auf https://blog.lindenberg.one/HinweisDataport |
Veröffentlicht am 03.12.2024.
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